In der Krise steckt der Wandel. Auch wenn es schwer fällt in der aktuell ungewissen Situation über Chancen zu sinnieren, stellen wir bewusst genau jetzt die Frage: Was bedeutet mehr Remote Work für unsere Community, unser Business und dessen Vision — die Veränderung der Arbeitswelt für Frauen? Ich möchte euch mit auf unsere Reise der letzten Wochen bei CoWomen und den Business Changemakers nehmen und auch euch die Frage mitgeben, wie wichtig wird Remote Work für dich und dein Unternehmen?

Remote Work Corona

Remote Work ist schwierig und was wir in der Krise erleben, ist nicht der Zustand, der hergestellt werden soll. Auch wenn sehr viele ihre Arbeit aktuell von der eigenen Couch aus bestreiten, bedeutet dies nicht, dass wir nun automatisch großflächig austesten, ob remote Arbeiten für unsere Rollen geeignet ist. Denn dazu gehört viel mehr, als nur die Verlegung des Arbeitsortes. Es handelt sich um eine andere Art des Arbeitens. Ein Arbeiten, bei dem Führung neu gelebt wird, Zusammenarbeit nicht Telefonieren bedeutet und am Ende Ergebnisse zählen. Es erfordert eine Unternehmenskultur, in der zu Leistung inspiriert wird und Führungskräfte sich nicht darum sorgen, dass ihre Leute zu wenig tun, sondern sich dafür einsetzen, dass sie nicht zu viel tun und ihre Leistung konstant in gesundem Ausmaß und im Mix mit anderen Lebensumständen erbringen können.

Jeder Schritt in Richtung mehr Flexibilität für Mitarbeitende ist ein erster Schritt in die richtige Richtung

Jason Fried und David Heinemeier Hansson haben bereits 2013 (!) in ihrem Buch “Remote” eine inspirierende Einführung in das Thema gegeben (Fried, Heinemeier Hansson, 2013). Eins wird mir beim Lesen klar: Für die allermeisten Unternehmen bedeutet mehr remote einen einschneidenden Wandel. Alles, was wir in der Krise erleben, wo wir vom einen auf den nächsten Tag ins Homeoffice umsiedelten, ist genau das nicht. Es bietet wenig Raum für ein Umgestalten und ist ein Krisenmodus, in dem Mitarbeitende sogar noch mehr Unterstützung benötigen, um den Betrieb am Laufen zu halten. Wir bei CoWomen und den Business Changemakers arbeiten auf eine neue Arbeitswelt hin und müssen feststellen, dies sind -vermeintlich- denkbar schlechte Voraussetzungen, um Chancen für eine neue Arbeitswelt zu erkennen. Aber in der Krise steckt der Wandel und wir haben Hoffnung, denn trotzdem ist jeder Schritt in Richtung mehr Flexibilität für Mitarbeitende ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Und wie genau hängt das mit Digitalisierung zusammen?

Das Engagement unserer Community ist virtuell gestiegen

Was hat das eigentlich mit uns zu tun? Wir betreiben einen Coworking Space, der sich für Frauen in der Wirtschaft einsetzt und wir sind Beraterinnen für die Veränderung der Arbeitswelt. Unser Wertversprechen lebt davon, Personen zusammenzubringen und unsere Expertise, Persönlichkeit und Präsenz in unsere Beratungsleistung zu überführen. Und nun ist alles remote. Unser Space ist seit Beginn der Krise geschlossen und unser Team hat, wie viele andere, alle Aktivitäten nach Hause verlagert. Das Erste was uns dabei auffiel: Wir lernen enorm viel über uns als Business und über unsere Mitglieder. Es ist eine wertvolle Erfahrung bei der Vertrauen und Teamwork zwangsläufig ins Zentrum rücken und neu gelebt werden. Asynchroner und mehr in Mischung mit all unseren anderen Aktivitäten und Ideen in unseren Köpfen. Die Leistung leidet nicht. Ganz im Gegenteil. Wir erfinden uns neu und arbeiten ab.

Und CoWomen? CoWomen hat uns in der Krise überrascht und beeindruckt. Unser Learning hier schärft unseren USP: CoWomen war immer in erster Linie Community. Es wird nun digital viel unterstützt und ausgetauscht und wir kommen gemeinsam durch diese Zeit. Und das finden wir absolut nicht selbstverständlich. Denn auch unsere Frauen werden von digitalen Angeboten übersät. Aber unsere Community Events sind fest im Kalender markiert und ein Muss, denn wir alle schöpfen Energie daraus. Wir durften lernen, dass für uns die Distanz gerade nicht Vereinsamung bedeutet, sondern die Stärkung von Beziehungen auf andere Art und Weise. Privat wie beruflich. Die Umstellung hat für uns bisher einen festigenden, klärenden und stärkenden Effekt nicht nur auf Beziehungen, sondern auch auf die gesamte Arbeits- und Lebenswelt. Aber weshalb ist dies so?

Motivation is the fuel of intellectual work (Fried, Heinemeier Hansson, 2013)

Uns wird klar, dass wir in vielerlei Hinsicht weit besser auf dieses Arbeiten vorbereitet sind als andere. Joël Kaczmarek & Ahmet Acar haben in der Podcast Folge „Home Office ist nicht Remote Work — So geht es richtig“ sinnvoll zusammengefasst, worauf es ankommt. Remote hat nicht nur mit technischer Ausstattung zu tun oder (diesen Begriff, den sie verwenden finde ich grandios) mit Governance Hygiene, d.h. die richtigen Formalitäten zu besitzen. Nein, es hat mit Werten und Arbeitsweisen zu tun, die man im Team lebt. Es kommt auf Vertrauen an und 100%ige Transparenz. Es bedarf ortsunabhängigen Zugang zu allen Informationen sowie digitale Kommunikationsregeln. Diese haben wir für uns selbst schon vor langer Zeit gesetzt und inzwischen internalisiert. Zudem sind Motivation der Mitarbeitenden und Beteiligung zentrale Faktoren für den Erfolg von remote Arbeit. Dies ist nur mit einem stärkeren Fokus auf Strategie, Ziele und Transparenz in Unternehmen möglich. Diese neue Arbeitsweise ist damit auch eine Chance für alle, die besser verstehen wollen, was der Zweck und das Ergebnis ihrer Arbeit ist und was sie eigentlich motiviert sie zu erledigen. Denn sie müssen aus eigener Motivation heraus leisten.

Remote Homeoffice

Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden stellt sich durch Remote Work nur dann ein, wenn es nicht als “Heimarbeitsplatz” verstanden wird, sondern als Empowerment der Mitarbeitenden. Ein Vertrauensbeweis der Führungskräfte und die Übergabe von Verantwortung für Geschäftsergebnisse. Aber sagen wir, wir sind motiviert. Wie werden wir eigentlich zu guten remote Workern?

Your place, your zone is yours alone“ (Fried, Heinemeier Hansson, 2013)

Man ist nicht dem Büroalltag oder den Strukturen anderer ausgesetzt. Man wählt den Ort frei aus, an dem man am besten Arbeiten kann. Ist dies zuhause, wunderbar. Ist dies in einem Café oder am Strand, auch in Ordnung. Wichtig ist, dass man motiviert ist, seine Arbeit zu erledigen, weiß, was zu tun ist und sich die bestmögliche Situation schafft, in der man dies effizient erledigt bekommt. Die Verantwortung, sich nicht stören zu lassen, ist damit auf die Mitarbeitenden übertragen. Das Büro als Interruption-Factory fällt weg. “9 till 5” ist aufgehoben und es zählt die Produktivität. Das ist alles andere als einfach und auch nicht für alle attraktiv oder in diesem Sinne umsetzbar. Zudem wissen wir, dass dies in der Krise besonders schwierig ist. Der Schlüssel ist sich selbst und die eigene Performanz besser kennenzulernen und die eigenen Vorzüge davon zu verstehen. So kann man sich nicht nur die Arbeit um die eigene Produktivität herum designen sondern auch um das gesamte Leben.

Wir begleiten im Moment ein Team in einem Unternehmen dabei, wie sie Struktur ins Homeoffice bringen und gleichzeitig Inspiration und Ideen zur Weiterentwicklung erhalten. Kurz: Digitaler Community Aufbau plus remote Team Unterstützung. Das ist für uns eine sehr bereichernde Form, in dieser Zeit anzupacken und gleichzeitig unser Wertversprechen neu zu denken und zu schärfen. Wir entdecken Remote Work als ein neues Arbeiten, das wir besser machen wollen.

Remote Work = mehr Gleichstellung

Nun wird es interessant. Zählt das Arbeitsergebnis und nicht die Uhrzeit, zu der man ans Telefon geht, ändert sich noch viel mehr in unserem Miteinander. Wird Remote Work ernst genommen, dann wird unausweichlich ein Kulturwandel angestoßen. Alle Mitarbeitenden egal, wo sie sich befinden und in welcher Form sie in Erscheinung treten, werden in gleicher Weise ernst genommen, wie die, die einem im Büro über den Weg laufen. Sie werden in gleicher Weise informiert, einbezogen, befördert etc. In diesem Fall zählt “exceptional work” statt “exceptional noise” (Fried, Heinemeier Hansson, 2013). Und wir alle wissen, was das für Frauen bedeuten kann.

Aber diese Chance ist größer als Gender-Bias. Es entsteht ein riesiges Potenzial dadurch, dass es nicht mehr so sehr darauf ankommt, WER genau die guten Ergebnisse liefert. Ein Versprechen, das die Startup Welt aus meiner Sicht fälschlicherweise gibt. In einer echten remote Organisation werden Ergebnisse kollaborativ an digitalen Schreibtischen erarbeitet und nicht von Gestik, Mimik, Stimme oder anderen Merkmalen ummantelt. Remote Work ist durch diese Ergebnisorientierung und die bessere Vereinbarkeit mit verschiedenen Lebensumständen integrativer und schafft so die Basis für mehr Gleichstellung in der Arbeitswelt.

Frauen wird seltener Homeoffice genehmigt

Und nun das „aber“, denn diese neue Arbeitswelt ist noch nicht da. Es ist das Arbeiten der Zukunft, denn wenn man sich diese Potenziale bewusst macht, wird es unerträglich, dass die gesellschaftliche Erwartung Realitäten schafft, die im Hinblick auf Gleichstellung kontraproduktiv sind, wie auch Antonia Baum in dem brillanten Artikel “Hannelore radikalisiert sich” nachzeichnet (Baum, Die Zeit, 2020). Die aktuelle Krisenlage, aber vor allem die vorherrschenden Denkweisen unserer Arbeitswelt in Deutschland diskriminieren zum Beispiel Frauen bereits beim ersten Schritt in Richtung remote. Bei der Genehmigung dessen! Dies zeigt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem letzten Jahr eindrücklich. Fried und Heinemeier Hansson erklären, Remote Work ist nicht einfach und es ist zunächst einmal stigmatisiert. Wenn man daran glaubt und dieses Potenzial nutzen möchte, um eine bessere Arbeitswelt zu erschaffen, dann muss man dafür kämpfen. Wir sind nicht scheu zu kämpfen und haben Remote für uns und für die Erreichung unserer Vision als neuen wichtigen Hebel erschlossen.

Better work, better collaboration, better business results(Fried, Heinemeier Hansson, 2013)

“Remote Work” steht nun in dicken roten Buchstaben als Menüpunkt auf unserer Homepage. Wir glauben an die Potenziale, wir haben in unserer Journey in den letzten Wochen das Gute und die besondere Konzentration auf gute Arbeit und wertvolle Community erlebt und wir kämpfen gemeinsam mit anderen für ihren remote work Einsatz. Warum wir anfingen Teams im Homeoffice zu unterstützen, beginnt nicht bei Corona. Es beginnt bei unserer Vision die Arbeitswelt für Frauen zu verändern und mehr Gleichstellung zu erreichen. In der Krise ist uns diese Vision nur noch näher gerückt und wir sehen die Ansatzpunkte noch viel klarer vor uns, an denen wir Teams in Unternehmen unterstützen können. Wir bauen digitale Communities, schaffen neue Räume innerhalb von Unternehmen, die es Mitarbeitenden ermöglichen ihr ganzes Selbst mit zur Arbeit zu bringen und wir geben Struktur und Inspiration im Homeoffice. Damit am Ende nicht alle sagen, “Homeoffice funktioniert halt nicht”. Es ist wie mit der Gleichstellung: Es erfordert Wandel, aber das ist es wert! Wir machen Remote Work. Besser. Für mehr Gleichstellung!

Wie wichtig wird also Remote Work für dich und dein Unternehmen?

Unsere Key Take-aways

1. Remote Work ist schwierig und was wir in der Krise erleben ist nicht der Zustand, der hergestellt werden soll

2. Trotzdem ist jeder Schritt in Richtung mehr Flexibilität für Mitarbeitende ein erster Schritt in die richtige Richtung

3. Die Chancen von Remote Work sind nicht nur zahlreich, aus unserer Sicht sind sie substanziell für die Entwicklung der Arbeitswelt hin zu mehr Qualität und Mensch im Mittelpunkt und so auch wesentlich für mehr Gleichstellung

4. Wir packen an und machen Remote Work. Besser.